WOCHENBLATT neue stader  12. März 2003

Ein gewaltiger Findling für den Friedensplatz
Freudenthal sammelt für Gedenktafel

sr. BUXTEHUDE. Hans-Georg Freudenthal, der als 12jähriger Steppke hautnah erlebte, wie seine Heimatstadt Buxtehude am Ende des Zweiten Weltkrieges vor der Zerstörung gerettet wurde, macht sich bereits seit Jahren für die Errichtung einer Gedenktafel stark. Jetzt ist sein Ziel in greifbare Nähe gerückt. In der letzten Woche ging er gemeinsam mit Richert Rischkau, Jürgen Schwarz, Hans-Peter Berger und Bodo Klages auf Findlingssuche.
Mit der Gedenktafel versehen, soll der Stein künftig den Friedensplatz - eine Grünfläche auf dem Gelände der ehemaligen Estetalkaserne - zieren und mit der folgenden Inschrift an heldenhafte Taten erinnern: »Am 22. April 1945 wurde die Estetal-Kaserne und die Stadt Buxtehude kampflos den britischen Truppen übergeben. Unter Einsatz ihres Lebens gelang es den verantwortlichen Offizieren Konteradmiral Siegfried Engel, Kapitän zur See Alexander Magnus, Hauptmann Hans Haverkamp und Oberleutnant Karl Halaski, Menschenopfer und die Zerstörung der Stadt zu verhindern.«
Rund 5.000 Euro soll die Einrichtung der Gedenkstätte laut Freudenthal kosten. Da er sich »als Privatmann für die Sache stark macht«, hofft er natürlich auf finanzielle Unterstützung.


WOCHENBLATT neue buxtehuder  14. Mai 2003

Ein Gedenkstein für Kriegsverbrecher?
Enthülltes Denkmal auf Friedensplatz sorgt für Unruhe / Ende der Kasernenkonversion

fs. BUXTEHUDE. Es sollte der erfolgreiche Abschluß der Konversion der Buxtehuder Estetalkaserne werden. Doch der von der Grundstücksentwicklungs- und Verwertungsgesellschaft (GEV) an die Stadt übergebene neue Friedensplatz bereitet seinem Namen keine Ehre. Er sorgt schon kurz nach der Übergabe für deftigen Streit. Grund für die Kontroverse ist ein Gedenkstein für vier Wehrmachtsoffiziere. Sie sollen mit ihrer Kapitulation dafür gesorgt haben, daß die Stadt am 22. April friedlich an die Briten übergeben werden konnte - unter Einsatz ihres Lebens.
Doch die Archive bieten auch weniger Heroisches über die Soldaten. Konteradmiral Siegfried Engel soll noch kurz zuvor über 50 Deserteure zum Tode verurteilt haben. Ein anderer Geehrter soll an Juden-Deportationen beteiligt gewesen sein.
Klar, daß sich angesichts dieser Information der Widerstand gegen den Stein regt, die ersten Buxtehuder Sturm laufen. Ob der Gedenkstein auf dem Friedensplatz bleibt, ist noch offen.
Geht es nach der stellvertretenden Bürgermeisterin Christel Lemm (SPD) kann der Stein bleiben. Die Sozialdemokratin war während ihrer Rede bei der Übergabe fast ausschließlich auf den Friedensplatz eingegangen. Ließ das Denkmal nahezu unerwähnt. Nicht nur die vier, sondern viele unerwähnt gebliebene Menschen hätten damals dazu beigetragen, daß die Stadt friedlich übergeben werden konnte. Sie könne sich nicht vorstellen, in ihrem Leben ein Todesurteil zu unterschreiben, aber sie sei auch nicht im Nazi-Regime aufgewachsen, erklärt Lemm. Im Zweifel gelte für sie das Prinzip: Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.
Alt-Bürgermeister Hans-Georg Freudenthal, der die Aufstellung des Steins mitinitiiert hatte, versteht die Aufregung nicht: Die ganze Sache sei doch durch sämtliche Ausschüsse der Stadt gegangen. Und: »Alle, die auf dem Stein erwähnt sind, waren keine Nazis, sondern kaisertreu.« Einen Unterstützer findet Freudenthal in GEV-Geschäftsführer Hans-Peter Berger. Die Gesellschaft habe den Platz so ausgestattet, wie es von der Stadt gewünscht worden sei. »Es geht bei dem Stein um die Taten in Buxtehude und nicht um die Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs. Das geschieht an anderer Stelle«, so Berger.


WOCHENBLATT neue buxtehuder  21. Mai 2003

Hickhack um den Gedenkstein
Verwaltungsausschuß will sich mit Mahnmal beschäftigen

(fs). Das Hickhack um den Gedenkstein auf dem Buxtehuder Friedensplatz geht weiter. Jetzt wird sich der Verwaltungsausschuß während seiner nächsten Sitzung des Mahnmals annehmen. Klar ist, wenn sich bei den Recherchen herausstellen sollte, daß die Vorwürfe gegen die auf der Tafel eingravierten Namen der Wehrmachtsoffiziere haltbar sind, muß der Stein weg. Das kündigte Bürgermeister Jürgen Badur im Gespräch mit dem WOCHENBLATT an: »Die Stadt wird dann nicht erlauben, daß auf ihrem Grund so ein Stein stehenbleibt.« Warum Stadtarchivar Bernd Utermöhlen unter Hochdruck ermittelt, lesen Sie auf Seite 2.

Keine Ruhe auf dem Friedensplatz
Buxtehuder Verwaltungsausschuß beschäftigt sich mit dem umstrittenen Gedenkstein

fs. BUXTEHUDE. Schon vor der offiziellen Bekanntgabe der Überprüfungsergebnisse gingen auch viele Fraktionen auf Distanz zu dem von Ex-Bürgermeister Hans-Georg Freudenthal initiierten Mahnmal am Friedensplatz. Dabei waren sie es doch, die vor drei Jahren auch die Inschrift abgenickt hatten. Badur bestätigte, daß zumindest ein Ausschuß Kenntnis über die geplante Gravur gehabt habe.
In der Schußlinie ist dadurch auch Stadtarchivar Bernd Utermöhlen geraten. Er hatte damals bei den zuständigen Archiven nachgefragt, ob etwas gegen die Wehrmachtssoldaten vorliege. Zu der Zeit wurde ihm offenbar mitgeteilt, daß die Offiziere nicht mit Greueltaten in Verbindung gebracht werden könnten. Im Internet wird jedoch etwas anderes propagiert: Konteradmiral Siegfried Engel soll noch kurz vor Ende des Krieges Todesurteile gegen Deserteure vollstreckt haben, ein anderer ebenfalls erwähnter Kamerad an Deportationen von Juden beteiligt gewesen sein (das WOCHENBLATT berichtete).
Aus diesem Grund forscht Utermöhlen erneut, schrieb die zuständigen Bundesarchive wieder an. Die sollen prüfen, ob an den Vorwürfen tatsächlich etwas dran ist. »Die Stadt kann nicht aufgrund von Zeitungsartikeln handeln«, sagt Utermöhlen auf die Frage, ob der Stein jetzt verschwinden müsse. Neue Informationen aus den Archiven erwarte er noch in dieser Woche.
Was ihm allerdings schon heute vorliegt, ist ein Zeitzeugenbericht von Karl Halaski, einem dessen Name auch auf dem Stein eingraviert ist. Er beschreibt in einem Brief aus dem Ende des 20. Jahrhunderts, wie er die Tage um den 22. April 1945, der friedlichen Übergabe der Stadt an die britischen Besatzer, erlebte. Utermöhlen hält die Quelle des ehemaligen Wehrmachtsoffiziers für glaubhaft. Details decken sich mit weiteren Berichten von Buxtehuder Zeitzeugen, darunter auch Freudenthal.
Halaski zufolge umgab sich Engel mit einem Stab von Männern, die kritisch gegenüber dem Hitler-Regime eingestellt waren. Um den »Coup« der Kapitulation überhaupt ausführen zu können, wurden verbliebene hitlertreue Offiziere mit Schnaps betrunken gemacht und so ruhig gestellt. Ein pikantes Detail aus Halaskis Bericht: Als die Soldaten mit der weißen Flagge mit dem Wagen aus der Stadt fuhren, seien sie von Buxtehudern zwar nicht an der Weiterfahrt behindert, wohl aber doch bedroht worden.


WOCHENBLATT neue buxtehuder  31. Mai 2003

Geblieben sind Schmierereien
Gedenkstein: Tafel entfernt - Verstrickungen in Kriegsverbrechen

sr. BUXTEHUDE. »Kein Fußbreit den Faschisten«, »Kriegsverbrecher« - anstelle der schmucken Kupferplatte zieren jetzt nur noch Schmierereien den Gedenkstein im ehemaligen Kasernengelände. Die umstrittene Würdigung von vier Wehrmachts-Offizieren ist am vergangenen Wochenende still und leise entfernt worden.
Schon seit der Enthüllung vor 14 Tagen wurde deutlich, daß die Stadt die Gedenktafel nicht halten kann. In der Inschrift wurden die vier Wehrmachtsoffiziere, die am 22. April 1945 die Stadt an die britischen Truppen übergaben, gewürdigt. Kaum war der Stein enthüllt - meldeten sich die Kritiker. Nach Unterlagen aus Bundesarchiven sollen zwei der auf der Tafel genannten Soldaten an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein.
Bürgermeister Jürgen Badur hielt sich am vergangenen Freitag noch bedeckt. Dafür plauderte die Politik: »Wir sind nicht gefragt worden«, wäscht ein SPD-Mann seine Hände in Unschuld. Folglich könne man den politischen Gremien auch keinen Vorwurf machen. Bürgermeister Jürgen Badur soll die Entscheidung Pro Gedenkstein auf Treiben von Ex-Bürgermeister Hans-Georg Freudenthal gefällt haben. - Im stillen Kämmerlein?
Auf jeden Fall wurde zwischenzeitlich gehandelt. Hans-Georg Freudenthal hat die Tafel wieder entfernt.


WOCHENBLATT neue buxtehuder  7. Juni 2003

Zwei geehrte Offiziere an Verbrechen beteiligt
Buxtehuder Gedenkstein: Die neuesten Recherchen der Stadt

ts. BUXTEHUDE. Die neuesten Recherchen der Stadt Buxtehude bestätigen: Zwei der vier Wehrmachtsoffiziere, die mit einem Gedenkstein auf dem Buxtehuder Friedensplatz geehrt werden sollten, waren an Kriegsverbrechen beteiligt. Das teilte Bürgermeister Jürgen Badur in einem Pressegespräch mit.
Das Bundesarchiv hat auf Nachhaken von Stadtarchivar Bernd Utermöhlen neue Quellen aufgestöbert und seine Aussage aus dem Jahr 2000 korrigiert, daß nichts gegen die Offiziere vorliege. Die neuesten Erkenntnisse: Konteradmiral Siegfried Engel sei als sogenannter »Gerichtsherr« - nicht als Ankläger - nachweislich an zwei Hinrichtungen beteiligt gewesen. Hinweise auf eine Beteiligung an weiteren Hinrichtungen mit insgesamt 54 Opfern habe das Bundesarchiv aber nicht.
Kapitän zur See Alexander Magnus hat nach Angeben des Bundesarchivs »auf Befehl« Fähren zur Deportation von Juden zur Verfügung gestellt.
»Strafrechtliche Relevanz« hätten die Auskünfte zwar nicht mehr, erklärte Badur in einer persönlichen Bewertung. Die moralische Kategorie der Taten mache aber klar: »Diese Personen sollten nicht auch noch auf Gedenktafeln erscheinen.«
Die Stadt hatte die Gedenktafel schon vor diesen neuesten Erkenntnissen entfernen lassen (WOCHENBLATT berichtete). Wie Badur berichtet, will die Stadt Buxtehude auf einer neuen Tafel auf dem Friedensplatz an die kampflose Übergabe der Kaserne und Stadt an die englischen Truppen erinnern. »Es werden aber keine Namen mehr genannt werden.« Badur werde sich mit dem Initiator des Mahnmals, Hans-Georg Freudenthal, zusammensetzen. Der Verwaltungsausschuß oder Stadtrat sollen dann die neue Beschriftung beschließen.
Dringend geklärt werden müssen noch zwei Fragen: Bekommen die Spender, mit deren Hilfe Freudenthal die Gedenktafel finanziert hat, ihr Geld zurück? Und wer bezahlt den neuen Gedenkstein?


Die Einweihung des »Gedenksteins«

Die Zeitzeugenberichte